Anonyme
Arbeits­süchtige


Für Neue

Nur scheinbar ein Gegensatz: Arbeitssucht und Arbeitsvermeidung

Ein ungesundes Arbeitsverhalten kann sich in vielen Formen des zwanghaften Beschäftigtseins und/oder der Vermeidung von Arbeit oder Tätigkeiten ausdrücken.

Arbeitssucht kennzeichnet Probleme mit einem Zuviel an Arbeit und Aktivität. Die Kehrseite davon ist die Arbeitsvermeidungssucht: das Nicht-Arbeiten, Aufschieben, Vermeiden von Arbeit. Eine Arbeitssüchtige kann in Phasen von Arbeitsvermeidung fallen, in denen sie gar nichts mehr tun will.

Viele Betroffene kennen sowohl Arbeitssucht als auch Arbeitsvermeidung, denn beide erweisen sich oft als zwei Seiten einer Medaille.

Die spezifischen Besonderheiten dieser beiden Formen beschreiben wir in den nächsten beiden Abschnitten.

Arbeitssucht

Arbeitssucht beschränkt sich nicht auf unseren Umgang mit bezahlter Arbeit. Auch Hobbys, Sport, Hausarbeit, oder ehrenamtliche Arbeit können wir arbeitssüchtig betreiben. All das erscheint vielleicht bewundernswert – doch wenn wir nicht zu einem angemessenen Zeitpunkt wieder aufhören können zu arbeiten und uns selbst sowie unsere Partner, Familie und Freundinnen aus den Augen verlieren, weil wir pausenlos beschäftigt sind, dann ist das Arbeitssucht.

Arbeitssucht ist gesellschaftlich akzeptiert und wird häufig am Arbeitsplatz gefordert und gefördert. Der zunehmende Druck in der Arbeitswelt, immer mehr in immer kürzerer Zeit zu leisten, scheint unser zwanghaftes Arbeitsverhalten sogar zu erfordern.

Eine weitere Entwicklung, die der Arbeitssucht förderlich ist, ist die technologische Entwicklung: durch Laptops und Mobiltelefone sind wir heute ständig erreichbar. Häufig führt das dazu, dass berufliche Arbeit schon in den frühen Morgenstunden oder noch spät am Abend stattfindet und wir zuhause, im Café, beim Sport oder bei Familientreffen – also immer – erreichbar sind, und manche Arbeitgeber diese ständige Erreichbarkeit auch voraussetzen. Gleichzeitig bieten Smartphones auch die Möglichkeit, ununterbrochen Neuigkeiten von Freunden, Verwandten, Kolleginnen und aus aller Welt abzurufen. Mit der Folge, dass wir häufig in einem persönlichen Gespräch gar nicht richtig anwesend sind. Während diese Entwicklungen die Arbeitssucht fördern, sind sie nicht die Ursache von Arbeitssucht.

Ist Arbeitssucht eine stoffliche oder nichtstoffliche Sucht? Beides, denn sie ist gleichzeitig eine Abhängigkeit von einem Prozess (Arbeit/Aktivität) und eine Abhängigkeit von Stresshormonen (zum Beispiel Adrenalin). Wir kurbeln die Ausschüttung von Stresshormonen dadurch an, dass wir Druck, Spannung und Chaos erzeugen, zum Beispiel, indem wir zu viele Aufgaben in unseren Tag stopfen und uns nicht genug Zeit nehmen, diese Aufgaben in Ruhe nacheinander zu bewältigen.

Die körperlichen Folgeerscheinungen von chronischem Stress sind zum Beispiel Bluthochdruck, Herzkrankheit, Stress-Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, RSI-Syndrom (Repetitive Strain Injury) oder Magengeschwüre. Gleichzeitig führt die Krankheit zu sozialer Isolation mit Folgeerscheinungen, nicht nur für die Arbeitssüchtige selbst, sondern auch für ihr unmittelbares Umfeld, vor allem ihre Familie und Freunde.

Arbeitsvermeidungssucht

Es gibt viele Bezeichnungen für Arbeitsvermeidungssucht: Prokrastination, Bummelei, Aufschieberei sind nur einige davon. Allen gemeinsam ist, dass wir als Betroffene wichtige Aufgaben aufschieben. Das kann auch durch Ablenkung passieren – wir lassen uns ablenken und unterbrechen eine bereits angefangene Aufgabe.

Während viele Menschen dazu neigen, unangenehme Aufgaben aufzuschieben, ist bei uns die Aufschieberei chronisch. Wir schieben Aufgaben auf, obwohl Gelegenheit wäre, sie in Angriff zu nehmen und wir die Fähigkeiten zur Erledigung der Aufgabe haben. Stattdessen flüchten wir uns in andere Tätigkeiten, die vermeintlich angenehmer sind (zum Beispiel Putzen). Die Aufschieberei führt zu einem erheblichen Leidensdruck, weil uns bei diesen alternativen Tätigkeiten das Ausweichen vor der eigentlichen Aufgabe bewusst ist. Wenn wir die eigentliche Aufgabe dann viel zu spät in Angriff nehmen, können wir sie gar nicht oder nur unter großen Mühen erledigen. Gleichzeitig leben wir mit einem ständigen schlechten Gewissen und Minderwertigkeitsgefühlen. Häufig ist es auch unser Perfektionismus, der zur Aufschieberei führt. Wir befürchten, eine Aufgabe nicht „perfekt“ erledigen zu können und fangen deshalb gar nicht erst an.

Mögliche Konsequenzen sind schlechte Leistungen, Unzufriedenheit, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle. Dies kann so weit gehen, dass diese Gefühle zu körperlichen Beschwerden wie zum Beispiel Verspannungen und Schlaflosigkeit führen.

Hilfe für Betroffene

Du bist vielleicht an einem Punkt, an dem es für dich nicht mehr weitergeht, an dem dir die selbstschädigende Macht deines Arbeits- oder Arbeitsvermeidungsverhaltens bewusst geworden ist. Das können Probleme am Arbeitsplatz, ein Burn-out, eine andere schwere Erkrankung, ein Ultimatum in der Partnerschaft oder eine Abmahnung durch deine Arbeitgeberin sein. An diesem Punkt ist die Bezeichnung „Workaholic“ nichts mehr, auf das du stolz bist.

Bin ich arbeitssüchtig? Bin ich arbeitsvermeidungssüchtig?

Wenn du dich fragst, ob du betroffen bist, können die folgenden Beschreibungen für dich nützlich sein. Sie sollen dir helfen zu entscheiden, ob du arbeitssüchtig/arbeitsvermeidungssüchtig bist und ob du dich mit dem 12-Schritte-Programm von AAS auf den Weg der Genesung machen möchtest.

Die Zwanzig Fragen*

  1. Begeistert dich deine Arbeit mehr als deine Familie oder irgendetwas anderes?
  2. Kommt es vor, dass du einmal durch die Arbeit hetzt und dann wieder überhaupt nichts zustande bringst?
  3. Nimmst du Arbeit mit ins Bett? Ins Wochenende? In den Urlaub?
  4. Ist Arbeit das, was du am liebsten tust und wovon du am häufigsten sprichst?
  5. Arbeitest du mehr als 40 Stunden pro Woche?
  6. Verwandelst du deine Hobbys in Projekte, die Geld bringen?
  7. Übernimmst du die vollständige Verantwortung für die Ergebnisse deiner Arbeitsbemühungen?
  8. Haben deine Familie und Freunde es aufgegeben zu erwarten, dass du pünktlich bist?
  9. Übernimmst du zusätzliche Arbeit, weil du befürchtest, sie würde sonst nicht erledigt?
  10. Unterschätzt du, wie lange ein Projekt brauchen wird und hetzt dich dann ab, um es fertig zu stellen?
  11. Glaubst du, dass es in Ordnung ist, Überstunden zu machen, wenn du deine Arbeit gerne tust?
  12. Wirst du ungeduldig mit Menschen, für die neben der Arbeit noch andere Dinge wichtig sind?
  13. Hast du Angst, dass du deine Arbeit verlierst oder ein Versager bist, wenn du nicht hart arbeitest?
  14. Ist die Zukunft eine Quelle ständiger Sorgen für dich, auch wenn alles sehr gut läuft?
  15. Gehst du die Dinge mit viel Energie und Konkurrenzdenken an, sogar beim Spielen?
  16. Reagierst du gereizt, wenn andere dich bitten, deine Arbeit zu unterbrechen, um etwas anderes zu tun?
  17. Haben deine Überstunden deine Familie oder andere Beziehungen verletzt?
  18. Denkst du beim Autofahren, Einschlafen oder während andere sprechen an deine Arbeit?
  19. Arbeitest oder liest du während des Essens?
  20. Glaubst du, dass mehr Geld die anderen Probleme in deinem Leben lösen wird?

Wenn du drei Fragen mit Ja beantwortest, kann das ein Anzeichen dafür sein, dass ein Problem mit Arbeitssucht vorliegen könnte. Nachdem du über deine Antworten auf die obigen Fragen sorgfältig nachgedacht hast und vielleicht sogar mit deiner Familie und Freunden darüber gesprochen hast, erkennst du vielleicht, dass es ein Problem gibt.

* © Workaholics Anonymous World Service Organization, mit deren Genehmigung übersetzt, angepasst und abgedruckt.

Symptome der Arbeitssucht und Arbeitsvermeidungssucht

Sind dir einige der folgenden Symptome vertraut?

  • Du hast Angst vor der Arbeit und brauchst lange, um endlich anzufangen.
  • Du kannst dich nicht auf die Arbeit konzentrieren und verzettelst dich oft.
  • Du nimmst dir viel zu viel vor und arbeitest bis zur völligen Erschöpfung.
  • Du beurteilst dich und deinen Tag fast ausschließlich nach der Menge der geleisteten – mehr noch der nicht geleisteten – Arbeit.
  • Dein Perfektionsanspruch lähmt dich oft völlig bei der Arbeit.
  • Du weist Kontakte, Einladungen und Unternehmungen mit dem Hinweis auf „zu viel Arbeit“ zurück.
  • Du kannst zwischen Freizeit und Arbeitszeit nicht trennen und denkst auch in der Freizeit dauernd an die Arbeit (und umgekehrt).
  • Du stehst häufig unter Zeitdruck.
  • Du möchtest möglichst viel in kurzer Zeit und mit geringem Aufwand erreichen.
  • Du glaubst, „erst etwas leisten“ zu müssen und dir dein Lebensrecht durch Arbeit beweisen zu müssen.
  • Du schämst dich deiner Arbeitsschwierigkeiten oder Arbeitssucht und magst mit niemandem darüber sprechen.

Jeder von uns kennt eines oder mehrere dieser Symptome. Wir versuchen deshalb, unseren Schwierigkeiten gemeinsam zu begegnen und stützen uns dabei auf das 12-Schritte-Programm der anonymen Selbsthilfegruppen.

Wir heißen dich willkommen!

In AAS finden wir Hilfe zur Genesung von Arbeitssucht und Arbeitsvermeidungssucht. Hier begegnen wir anderen Betroffenen, mit denen wir uns austauschen können. Schon das Gefühl, mit unserem Problem nicht allein zu sein, ist häufig eine Erleichterung. Die Arbeit in den 12 Schritten im Rahmen einer Sponsorschaft oder Schrittegruppe unterstützen uns auf unserem Genesungsweg. Die 12 Schritte von AAS geben uns Werkzeuge an die Hand für einen spirituellen Umgang mit unserer Sucht, was uns ein nüchternes Leben ermöglichen kann. In AAS erfahren wir die Ermutigung und Unterstützung von AAS-Freunden, denen es durch die Arbeit im Programm bereits besser geht.

Die Lösung

Der erste Schritt zu unserer Genesung ist, dass wir erkennen und zugeben, dass wir ein Problem mit Arbeit/Aktivität haben, das wir allein nicht in den Griff bekommen können.

Als Mitglieder der Gemeinschaft von AAS lernen wir, unsere Krankheit anzunehmen und unseren Blick auf unsere Genesung richten. Alle, die den Wunsch haben mit dem zwanghaften Arbeiten oder Nicht-Arbeiten aufzuhören, sind willkommen bei AAS. Die Zugehörigkeit zu AAS bestimmt damit jeder selbst.

Genesung bedeutet, dass wir unsere geistige Gesundheit wiedergewinnen und ein ausgeglichenes Leben führen können, in dem auch Ruhe und Meditation, die Pflege von Beziehungen, Spaß und Spiel, sowie Spiritualität ihren Raum haben. Wir schöpfen wieder Mut und entwickeln neue Perspektiven.

Das 12-Schritte-Programm zeigt uns einen Weg aus dem zwanghaften Arbeiten oder Nicht-Arbeiten – in ein Leben mit nüchternem Umgang mit Arbeit (Bottom Lines) und einem gesunden Maß an Aktivität. In den Gruppentreffen (Meetings) der Anonymen Arbeitssüchtigen teilen wir unsere Erfahrung und geben einander Kraft und Hoffnung für unseren Genesungsweg. Unsere Meetings finden in der Regel wöchentlich statt, als Präsenztreffen oder als Telefon-/Online-Meetings.

Die einzige Voraussetzung, um an einem Meeting teilzunehmen, ist der Wunsch, ungesundes Arbeitsverhalten zu überwinden. Komm also gerne einige Male in ein Meeting um zu erfahren, ob du für dich bei den Anonymen Arbeitssüchtigen Hilfe und Unterstützung finden kannst.

Das 12-Schritte-Programm

Wir wenden das 12-Schritte-Programm an, das ursprünglich von den Anonymen Alkoholikern entwickelt wurde. Dieses weltweit bewährte Programm wurde von zahlreichen weiteren Selbsthilfegruppen für die Genesung von Sucht übernommen. In unseren regelmäßigen Meetings und außerhalb wahren wir unsere Anonymität und sprechen uns nur mit dem Vornamen an. In unseren Meetings üben wir weder Kritik, noch erteilen wir Ratschläge.

Das 12-Schritte-Programm ist ein spirituelles Programm, aber keine Religionsgemeinschaft oder Sekte. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir die Arbeitssucht nicht mit unserem eigenen Willen zum Stillstand bringen können. Vielmehr brauchen wir eine Quelle der Kraft, die über unser eigenes, begrenztes Sein hinausgeht, und der wir uns zuwenden. Dabei hat jeder von uns seine ganz persönliche Vorstellung von dieser Höheren Macht.

Mehr zu den 12 Schritten findest du in den Fragen und Antworten.

Wenn dich das Programm der Anonymen Arbeitssüchtigen anspricht, kannst du unter AAS-Meetings nach einem Meeting in deiner Nähe suchen und zu einem unserer Präsenzmeetings oder zu einem Telefon-/Onlinemeeting kommen.

Loslassen der Arbeitssucht

Unser Ziel ist es, an jedem Arbeitstag ein angemessenes Arbeitspensum zu erledigen und konzentriert zu arbeiten. Konzentration bedeutet für uns, sich nur mit der vor uns liegenden Arbeit zu beschäftigen und dieser nicht auszuweichen. In der Freizeit und in den Pausen denken wir nicht an die Arbeit.

  • Wir versuchen, unsere Leistungsfähigkeit und unsere Grenzen realistisch und ohne Angst zu erkennen und zu akzeptieren.
  • Wir versuchen, unsere Arbeit sinnvoll zu planen und sie dann in kleinen Schritten auszuführen.
  • An jedem Tag, den wir uns als Arbeitstag gesetzt haben, versuchen wir, regelmäßig zu arbeiten.
  • Jeder legt für sich selbst fest, welche Arbeitsmenge für ihn angemessen ist. Wir verpflichten uns jeden Tag aufs Neue, das von uns selbst bestimmte Arbeitspensum einzuhalten.

An das Ergebnis unserer Arbeit versuchen wir nicht zu denken, denn der Erfolg liegt nicht in unserer Hand. Wir können nur ehrlich versuchen, angemessen zu arbeiten.

Bei weiteren Fragen

Einige Fragen und Antworten haben wir auf einer eigenen Seite zusammengestellt.

Wenn du weitere Fragen hast, kannst du dich gerne per E-Mail an unsere Kontaktstelle wenden:

info@arbeitssucht.de